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Lenkererhebung

Erster Akt

Freitag Mittag, Ende November

Es klingelt. Ich bin im Home Office und warte auf ein DHL-Paket. Wundere mich noch, dass der DHL-Bote früher kommt als sonst. An der Tür steht jedoch nicht der DHL-, sondern der Postbote. Und er hat ein Einschreiben für mich. Verwirrt unterschreibe ich.
Das Einschreiben kommt aus Tschechien, aus Prag um genau zu sein. Der Absender ist jedoch keine tschechische Firma, sondern »BH Lienz« aus Lienz in Österreich. Mir schwant nichts gutes.

Ein paar Stunden später habe ich meinen Dienst im Home Office beendet und widme mich der privaten Post. Hinter dem Deckblatt des Einschreibens aus Tschechien verbirgt sich ein Brief der Bezirkshauptmannschaft Lienz, oben links trägt das Schreiben das Logo des Landes Tirol. Adressiert ist der Brief an mich, sogar inklusive meines zweiten Vornamens. und mittig über dem Text prangt in dicken, schwarzen Lettern das Wort »Lenkererhebung«. WTF?

Als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeugs mit dem behördlichen Kennzeichen M-XD76 werde ich aufgefordert, Auskunft darüber zu erteilen, wer am 24.08.2024 um 8:45 Uhr das Kraftfahrzeug in Matrei in Osttirol, B108, Straßenkilometer 20,24, Richtung Lienz gelenkt hat.

Das Einschreiben Der Inhalt des Einschreibens

Aha. Nun, ich bin am diesen Tag dort unterwegs gewesen, das steht nicht zur Debatte. Was mich nur etwas beunruhigt: Ich wurde schon das ein oder andere mal in Österreich geblitzt, mal mit gut 10km/h zu viel und ein anderes mal etwa 20km/h über zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Doch beide Male habe ich direkt ein Brief, kein Einschreiben, bekommen, in dem der Verstoß mit genauer, gemessener Geschwindigkeit aufgeführt war, verbunden mit einer direkten Zahlungsaufforderung. Dieser bin ich schnell nachgekommen, und damit war die Sache für mich erledigt.

Doch dieses Mal: eine Lenkererhebung? War ich (unwissentlich) so viel zu schnell, dass so ein Schritt vorab erforderlich war? Ich recherchierte kurz im Internet - die Beantwortung der Lenkererhebung ist wohl verpflichtend, und ist noch kein Schuldeingeständnis, auch wenn man angibt, dass man selbst zu besagtem Zeitpunkt das Kraftfahrzeug gelenkt hat.

Recherche

Mir fiel ein, dass ich in letzter Zeit neben calimoto auf dem Navigationstelefon auch noch einen GPS-Tracker auf dem normalen Smartphone in der Jackentasche mitlaufen lasse, falls calimoto oder das Navigationstelefon mal wieder meinen, sich verabschieden zu müssen. Also »fuhr« ich die B108 von Matrei Richtung Lienz auf Google Street View viertuell ab und hielt Ausschau nach dem Schild, auf dem Kilometer 20,24 verzeichnet war. Und siehe da: In Moos, kurz hinter dem Ortseingang muss das gewesen sein. Da ist auch gleich eine Bushaltestelle - eine gute Stelle für einen Blitzer. Was ich auf Google Street View ebenfalls gleich erkennen konnte: Ab dem Ortsschild war die Geschwindigkeit noch auf 60km/h begrenzt, nicht auf 50 Kilometer pro Stunde. Nun öffnete ich parallel die Oberfläche meines GPS-Trackers (µlogger, falls es jemanden interessiert). Hier suchte ich die Stelle, an der ich vermutlich zu schnell war. Und ich hatte Glück: Es waren hier mehrere GPS-Datenpunkte vorhanden:

  • Vor dem Ortsschild: Laut meinen GPS-Aufzeichnungen 85,6 km/h
  • Hinter dem Ortsschild: Laut meinen GPS-Aufzeichnungen 70,0 km/h
  • An der Bushaltestelle: Laut meinen GPS-Aufzeichnungen 67,8 km/h
  • Ortsmitte: Laut meinen GPS-Aufzeichnungen 72,0 km/h

Sollten meine Daten stimmen, so war ich also 8 - 12 km/h über der erlaubten Geschwindigkeit. Und dafür so ein Aufwand mit »Lenkererhebung«? Nun gut, wird schon seine Richtigkeit haben. Ich nutze die Möglichkeit, der Bezirkshauptmannschaft Lienz online mitzuteilen, dass ich selbst das gesuchte Fahrzeug an diesem Tage lenkte und somit ihr Adressat für weitere Details bin.

Und immer noch die Frage: Warum nicht gleich eine Zahlungsaufforderung?

Zweiter Akt

2 Wochen später

Ich fische einen Brief aus dem Briefkasten, im Absender taucht das Wort »Lienz« auf. »Aha«, denke ich mir. Nun würde ich also erfahren, was ich mir im August auf meiner Großglockner-Tour gravierendes erlaubt habe, dass gleich ein Einschreiben rechtfertigt.

Ich öffnete den Brief der Bezirkshauptmannschaft Lienz, und siehe da: Eine Strafverfügung.

Inhalt: Strafverfügung

Der Vorwurf:

Sie haben im angeführten Bereich, welcher außerhalb eines Ortsgebietes liegt, die durch Straßenverkehrszeichen in diesem Bereich kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 10 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.

Ich bin also 10 km/h zu schnell gefahren. Laut meiner »Recherche« war ich zwar innerhalb eines Ortsgebiets, und an dem Punkt weniger als 70 km/h gefahren. Aber mein Telefon ist nun auch schon ein paar Monde alt, und wie genau die GPS-Aufzeichnung funktioniert, weiß ich gar nicht. Und in etwa stimmt der Vorwurf ja mit meinen Aufzeichnungen überein.

Doch warum wurde mir nicht, wie bei meinen vorherigen Geschwindigkeitsübertretungen in Österreich, direkt die Strafverfügung zugestellt? Ich hätte den Betrag anstandslos überwiesen, wie auch jetzt - nur hätte man sich das Einschreiben sparen können.

Aber egal, das wird mir wohl ein Rätsel bleiben.


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